Leidensdruck

Als Leidensdruck wird jenes subjektive Krankheitserleben bezeichnet, das beim Betroffenen den größten Einfluss auf die Lebensqualität ausübt. Ein entsprechend großer Leidensdruck stellt die wichtigste Triebfeder für Veränderungen dar und veranlasst den Betroffenen erst, Hilfe zu suchen oder anzunehmen.
Ein Beispiel dafür ist die Alkoholkrankheit, bei der der Betroffene oft erst nach Arbeitsplatzverlust, Trennung des Partners von ihm oder gravierenden Gesundheitsschäden einen ausreichenden Leidensdruck aufbaut, um eine (Psycho-) Therapie ernsthaft durchzuführen.
Es gibt allerdings auch Lehrmeinungen, nach denen ein höherer Leidensdruck nicht zwangsläufig zu positiven Veränderungen führt, sondern im Gegenteil der Betroffene erst durch unterstützende Maßnahmen in einen Zustand höherer Lebensqualität versetzt werden müsse, um aus dieser gestärkten Position heraus eigene Aktivitäten zur Besserung seines Zustands entwickeln zu können.
Der Begriff ist kein Synonym für Schmerzempfindung, da die Erwartung drohender Nachteile für das Ausmaß des Leidensdrucks häufig eine größere Rolle spielen kann als der akute Schmerz.
In Theorien der Managementberatung spielt der Begriff des Leidensdrucks als taktisches Moment der Mitarbeiterführung, insbesondere auf dem Gebiet der Verhaltensmodifikation eine bedeutende Rolle. Hierbei wird davon ausgegangen, dass rationale Einsicht bei Menschen in der Praxis keine Handlungskonsequenzen auslöst. Das abendländische Vorhaben der Aufklärung sei in diesem Sinn letzten Endes gescheitert, wie zuletzt die vergeblichen politischen Ansätze der Studentenbewegung gezeigt hätten; Appelle an die Vernunft verhallten angeblich folgenlos. Moderne Menschenführung sei stattdessen nur über eine Kombination der gezielten Erzeugung von Leidensdruck und des gleichzeitigen Weckens von Hoffnungserwartungen zu realisieren (Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“), um, aus der Sicht des Managements, Widerstände gegen Veränderungen zu beseitigen.