Trauer

Der Begriff Trauer bezeichnet die durch ein betrübendes Ereignis, namentlich durch den Verlust nahestehender oder verehrter Personen, oder durch die Erinnerung an solche Verluste, auch zu erwartende verursachte Gemütsstimmung und deren Kundgebung nach außen.[1]

Trauer in psychologischer Sicht

 

Arten

Trauer bezeichnet

  • einen emotionalen Zustand. Es ist ein Gefühl der Niedergeschlagenheit, eines Mangels an Lebensfreude (kurzzeitig oder länger andauernd) oder eines seelischen Rückzugs, einer starken Kränkung;
  • einen Prozess bei der Bewältigung von Krankheit, des Sterbens und insbesondere nach dem Tod eines geliebten Menschen oder auch bei einem sonstigen schweren Verlust;
  • eine besondere Art der Kleidung, welche als Ausdruck des Schmerzes über den Verlust einer nahestehenden Person getragen wird („Trauer tragen“). Heutzutage ist es nur noch zur Beerdigung selbst üblich. Vormals bestanden detaillierte Regelungen über die Zeitdauer des Tragens von Volltrauer und Halbtrauer, die je nach Verwandtschaftsgrad zum Verstorbenen variierten. So trug die Witwe ein Jahr lang schwarz;
  • einen offiziellen Zustand, der von der Regierung bei Unglücksfällen oder nach dem Tod einer hochrangigen Person verordnet werden kann; siehe dazu Staatstrauer.

Arten der Trauer: man unterscheidet u.a. übertriebene, chronische, maskierte und verspätete Trauer. (englisch: complicated grief, traumatic grief)
Im Folgenden wird vor allem auf den Trauerprozess eingegangen. Zu den vorgenannten Aspekten siehe Traurigkeit, Schmerz, Bedrückung und Depression.

Trauer und trauern

Der Zustand der Trauer hat beim Menschen neben dem emotionalen Aspekt einen Verhaltensaspekt, bei dem es um die Bewältigung und Verarbeitung des seelischen Schmerzes geht, verursacht wie durch den Verlust eines nahestehenden Menschen oder Tieres. Auslöser können der Tod von Freunden, Verwandten oder Haustieren[2], aber auch Trennungen anderer Art (Haus, Heimat) sein, die den räumlichen Verlust nahestehender oder verehrter Personen bedeuten.

Überwinden der Trauer

Körperliche Aktivität oder Ablenkung können Trauer verdrängen oder kurzfristig erleichtern. Man kann überdies versuchen, den Verlust zu ersetzen. Durch die Kulturgeschichte hindurch stabilisierten jahrhundertealte Trauergebräuche und Rituale; und stifteten Sinn. Etwa werden durch Erinnerung und symbolisch wiederholtes Zurückholen und erneutes Weggeben des Betrauerten ein Sich-Einlassen auf die Extremsituation des Verlustes gespielt und ein allmähliches Akzeptieren und Loslösen möglich. Sogenannte Trauerarbeit hilft. Die Klage und auch Gespräche sind konstitutiv. Bedeutsam sind der Ort der Trauer und die zugehörige Situation.
Die Trauer verläuft gewöhnlich in mehreren Phasen:

  1. Die Betroffenen befinden sich meist in einer Art Schockzustand, wollen nicht wahrhaben, dass ein Mensch oder auch Tier verstorben ist bzw. ein äußerst schwerer Verlust zu erwarten ist.
  2. Sie erleben eine depressive Phase. Sinnleere oder Zukunftsangst sowie Hadern mit dem Schicksal dominieren die Gedanken. Häufig treten Desorientierung und Vergesslichkeit, auch körperliche Reaktionen wie Konzentrationsverlust, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust auf. Die Aufmerksamkeit im Kontakt mit Anderen und in Bezug auf die notwendigen alltäglichen Aufgaben fällt schwer. Trauernde haben Verlassenheits- und Schuldgefühle sowie andere Schwäche-Krankheitssymptome.
  3. Dann beginnt „die Zeit, die Wunde zu heilen“. Der Gedanke an die verstorbene oder verlorene Person, auch an Tier, Haus, Heimat, Arbeit lässt weniger verzweifeln. Es gelingt den Trauernden, sich wieder besser zu konzentrieren, das Hier und Jetzt wahrzunehmen und den Blick auf die Zukunft zu richten, dies geht bis zum seelischen Gleichgewicht.

Während oder nach der Bearbeitung der Trauer können sich neue Perspektiven eröffnen, die unabhängig vom Trauerfall sind: neue Beziehungen, Verhaltensänderungen usw. So kann bearbeitete Trauer auch Lernprozesse in Gang setzen, die stagnieren, wenn die Trauerarbeit oder schwere zusätzliche Belastungen noch zu viele Energien beanspruchen.
Neuerdings gibt es Trauerreisen. Teilnehmer einer kleinen Reisegruppe (z.B. 12 bis 20 Teilnehmer) kommen während der Trauerreise ins Gespräch; dies soll ihre Trauerarbeit fördern und erleichtern.[3]

Trauerphasen

 

Phasen- und zielorientierte Modelle des Trauerprozesses

Elisabeth Kübler-Ross beschrieb 1969 fünf Phasen des Sterbens. Da das ein Trauerprozess ist, wurde ihr Phasenmodell auch in der Trauerbegleitung verwendet. 1970 legten John Bowlby und Collin Murray Parkes ein vierphasiges Modell vor, das 1982 von Verena Kast mit dem Modell von Kübler-Ross verschmolzen und – unter Einbezug von Elementen der analytischen Psychologie – zu einem ebenfalls vierphasigen Modell verarbeitet wurde. 1972 hatte Yorick Spiegel bereits ein psychoanalytisch orientiertes Modell der Trauerphasen vorgelegt. J. William Worden legte 1982 ein Modell vor, das aus vier Aufgaben der Trauerarbeit bestand und nicht als Phasenmodell zu verstehen ist. Dieses entwickelte er 1991 und 1996 weiter und ergänzte es um eine fünfte Aufgabe.

Trauerprozess in vier Phasen nach Kast

Diese Einteilung erfolgt nach Verena Kast und basiert auf Empfehlungen von John Bowlby und Collin Murray Parkes. Diese Theorien rund um den Trauerprozess von Verena Kast lehnen sich stark an das Modell der Sterbephasen von Kübler-Ross an und unterscheiden vier Phasen, die meist sukzessive und natürlich nicht streng voneinander getrennt ablaufen.
<dl><dt>Erste Phase</dt><dd>Nicht-Wahrhaben-Wollen</dd></dl>
Der Verlust wird verleugnet, der oder die Trauernde fühlt sich zumeist empfindungslos und ist oft starr vor Entsetzen: „Es darf nicht wahr sein, ich werde erwachen, das ist nur ein böser Traum!“ Die erste Phase ist meist kurz, sie dauert ein paar Tage bis wenige Wochen.
<dl><dt>Zweite Phase</dt><dd>Aufbrechende Emotionen</dd></dl>
In der zweiten Phase werden durcheinander Trauer, Wut, Freude, Zorn, Angstgefühle und Ruhelosigkeit erlebt, die oft auch mit Schlafstörungen verbunden sind. Eventuell setzt die Suche nach einem oder mehreren „Schuldigen“ ein (Ärzte, Pflegepersonal …). Der konkrete Verlauf der Phase hängt stark davon ab, wie die Beziehung zwischen den Hinterbliebenen und dem Verlorenen war, ob zum Beispiel Probleme noch besprochen werden konnten oder ob viel offengeblieben ist. Starke Schuldgefühle im Zusammenhang mit den Beziehungserfahrungen können bewirken, dass man auf dieser Stufe stehenbleibt. Das Erleben und Zulassen aggressiver Gefühle hilft dem Trauernden dabei, nicht in Depressionen zu versinken. Weil in unserer Gesellschaft Selbstbeherrschung ein hoher Wert ist und abhängig von familiären und gesellschaftlichen Prägungen sogar die Tendenz bestehen kann, Trauer ganz zu verdrängen, bestehen oft große Schwierigkeiten, diese Phase zu bewältigen. Indem die adäquaten Emotionen auch tatsächlich erlebt und zugelassen werden, kann die nächste Trauerphase erreicht werden.
<dl><dt>Dritte Phase</dt><dd>Suchen, finden, sich trennen</dd></dl>
In der dritten Trauerphase wird der Verlorene unbewusst oder bewusst „gesucht“ – meistens, wo er im gemeinsamen Leben anzutreffen war (in Zimmern, Landschaften, auf Fotos, auch in Träumen oder Phantasien …). Mit der Wirklichkeit konfrontiert, muss der oder die Trauernde immer wieder lernen, dass sich die Verbindung drastisch verändert hat.
Der Verlorene wird bestenfalls zu einem „inneren Begleiter“, mit dem man durch inneren Dialog eine Beziehung entwickeln kann. Im schlechteren Fall lebt der Trauernde eine Art Pseudoleben mit dem Verlorenen, nichts darf sich ändern, der Trauernde entfremdet sich dem Leben und den Lebenden. Wenn der Verlorene aber zu einer inneren Person wird, die sich weiterentwickeln und verändern kann, wird die nächste Phase der Trauerarbeit erreicht. Besonders hilfreich erweist sich, wenn in dieser Phase des Suchens, des Findens und des Sich-Trennens auch noch ungelöste Probleme mit der verlorenen Person aufgearbeitet werden können. Bisweilen kommt es in der dritten Phase auch zu Wutausbrüchen.
<dl><dt>Vierte Phase</dt><dd>Neuer Selbst- und Weltbezug</dd></dl>
In der vierten Phase ist der Verlust soweit akzeptiert, dass der verlorene Mensch zu einer inneren Figur geworden ist. Lebensmöglichkeiten, die durch die Beziehung erreicht wurden und die zuvor nur innerhalb der Beziehung möglich gewesen sind, können nun zum Teil zu eigenen Möglichkeiten werden. Neue Beziehungen, neue Rollen, neue Verhaltensmöglichkeiten, neue Lebensstile können möglich werden. Dass jede Beziehung vergänglich ist, dass alles Einlassen auf das Leben an den Tod grenzt, wird als Erfahrung integrierbar. Idealerweise kann man sich dann trotz dieses Wissens auf neue Bindungen einlassen, weil man weiß, dass Verluste zu ertragen zwar schwer, aber möglich ist und auch neues Leben in sich birgt.

Trauerprozess in vier Phasen nach Yorick Spiegel

Der systematische Theologe Yorick Spiegel beschrieb in seiner Habilitationsschrift von 1972 ebenfalls vier Trauerphasen; sie unterscheiden sich jedoch von den Phasen, wie sie Kast beschreibt:
<dl><dt>Schockphase</dt></dl>
Erster Schock nach der Todesnachricht. Diese erste Phase ist recht kurz, sie hat eine Dauer von einigen Stunden bis zu wenigen Tagen. Die Stärke des Schocks richtet sich vielfach danach, ob die Angehörigen die Todesnachricht unerwartet (bei Unfällen) trifft oder ob sie durch eine längere Krankheit auf diesen Tod vorbereitet waren. Doch trotz der Unterscheidungen lassen sich keine generellen Aussagen über die zu erwartende Heftigkeit des Schocks machen. Die Betroffenen nehmen in der Zeit nur relativ wenig von ihrer Umwelt wahr, ihr Verhalten nach der Todesnachricht ist höchst unterschiedlich. Sie sind oft nur schwer ansprechbar; je nach Schwere des Schocks zeigen sich Ansätze des Zusammenbruchs ihrer persönlichen Welt, doch wird das meist durch die Angehörigen unter Kontrolle gehalten. Unterstützung von anderen Angehörigen gibt dem Hauptbetroffenen die Möglichkeit, seine eigenen Gefühle zu kontrollieren: Dadurch ist bereits die nächste Phase bezeichnet. Für das Auslösen des Trauerprozesses und die Aufnahme des Trauerprozesses ist die Phase des Schocks sehr wichtig.
<dl><dt>Kontrollierte Phase</dt></dl>
Kontrolle der eigenen Emotionen durch verschiedene Aktivitäten (eigene und fremde); während dieser Phase wird eine zweifache Form der Kontrolle ausgeübt: Zum einen versucht der Trauernde seine Gefühle und Affekte zu beherrschen, zum anderen verstärken die Familienangehörigen und Freunde das Bemühen, damit ein möglicher Zusammenbruch verhindert wird und die nun notwendigen Schritte ohne größere Komplikationen vorgenommen werden können, wie die Organisation und Durchführung der Beerdigung. Die und andere Leistungen gesellschaftlicher Art sollen den Trauernden soviel wie möglich entlasten, damit ihm die Selbstkontrolle erleichtert wird. Trotzdem erfährt sich der Trauernde in dieser Phase in starkem Maße als passiv und ist kaum in der Lage, eigene Entscheidungen durchzusetzen. Durch die starke Selbstkontrolle entsteht ein innerer Abstand zur Realität und unmittelbaren Umgebung des Trauernden, und gerade die Geschäftigkeit seiner Umgebung lässt ihn (den Trauernden) spüren, wie groß die Distanz zwischen ihr und ihm selbst geworden ist. Zudem breitet sich hinter der kontrollierten Fassade des Trauernden ein Gefühl der Leere aus, das die Welt zwar intellektuell und praktisch anerkennt, jedoch emotional gewissermaßen leugnet. – Diese Leugnung oder Verdrängung der Situation ist ein Abwehrmechanismus, der in vielen Fällen die Selbstkontrolle aufrechterhält. Welch hohes Maß an Energie für diese Selbstkontrolle vonnöten ist, wird dadurch deutlich, dass die starke Konzentration der Kräfte allein auf den Punkt vielfach zu Kommunikationsstörungen führt. Der Trauernde spricht oft nur das Nötigste mit den ihn umgebenden Menschen; er erlebt diese (kontrollierte) Phase trotz aller Bemühungen und Rücksichtnahme auf ihn in einer unwirklichen Distanz zu seiner Umwelt und zu sich selbst. Das Ende der kontrollierten Phase ist angezeigt durch die Abreise der Verwandten und Freunde nach der Beerdigung.
<dl><dt>Phase der Regression</dt></dl>
Weitgehender Rückzug vom „normalen Leben“, Auseinandersetzung mit der Trauer. In dieser Phase ist der Trauernde ganz auf sich zurückgeworfen. Die hilfreichen Aktivitäten der Umwelt haben aufgehört, und im schrittweisen Begreifen seiner Situation wird er mit dem völligen Zusammenbruch der gemeinsamen Daseinswelt mit dem Verstorbenen konfrontiert. Er reagiert darauf zum einen mit stark erhöhter Emotionalität und auch mit Aggressivität. Zum anderen zieht er sich sehr zurück und überlässt sich nach Aufgabe eines Teils der zuvor mühsam aufrechterhaltenen Selbstkontrolle mehr oder weniger der Hilflosigkeit. Dem Entgegenkommen oder der Hilfe von Freunden oder Verwandten gegenüber verhält er sich oft abweisend, obschon er sich gleichzeitig ihre Hilfe wünscht. Zu den äußerlich beobachtbaren Symptomen zählen in dieser Phase Appetitlosigkeit (damit verbunden auch Anorexie, Gewichtsverlust, Verdauungsschwierigkeiten), Schlaflosigkeit, permanente Müdigkeit, vermehrtes Zurückgreifen auf Betäubungsmittel wie Alkohol, Nikotin und Medikamente. Um mit der aktuellen Krise fertig zu werden, versucht der Trauernde auf früher bewältigte Krisen zurückzugreifen, doch erweisen sich deren Bewältigungs- und Abwehrmechanismen zumeist als unzureichend. Demzufolge überlässt er sich der Hilflosigkeit und zieht sich ganz auf frühere Entwicklungsstufen zurück. Der Trauernde befindet sich in der Phase der Regression in einer Art „Zwischenzustand“, d. h. durch die noch nicht vollzogene Lösung vom Verstorbenen und die Zurückgezogenheit von den Lebenden ist es nicht zu entscheiden, welchem der Bereiche er mehr angehört. Die Ambivalenz dieser Situation verleiht dem Erleben und Empfinden des Trauernden eine große Unwirklichkeit.
In der Auseinandersetzung mit solcher Ambivalenz versucht der Trauernde mehr und mehr mit der Situation zu leben und sich auf die daraus ergebenden Konsequenzen einzustellen, womit schließlich die adaptive Phase eingeleitet wird.
<dl><dt>Phase der Anpassung</dt></dl>
Langsame Rückkehr ins Leben und neue Beziehungsfähigkeit. Der Trauernde versucht, langsam wieder in sein altes Leben zurückzukommen, aber der Verlust wird immer im Herzen bleiben. Doch der Trauernde kann sich nicht ewig zurückziehen. – Die Trauerbewältigung läuft in dieser Phase keineswegs kontinuierlich ab: Kurzzeitige Rückschritte in vorherige Stadien des Trauerprozesses sind möglich. Dabei kann die ganze Schwere der Trauer wieder da sein, doch klingen die Abschnitte meist schneller ab.

Die Trauerarbeit

Der Trauerprozess ist kein passiver Vorgang, bei dem etwas mit einem geschieht; vielmehr muss der Trauernde aktiv werden und eine Reihe von Aufgaben lösen. Diese ‚Arbeit‘ gewährleistet erst einen „normalen“ Trauerprozess; wird die Trauerarbeit nicht geleistet, ist der Abschluss des Trauerprozesses nicht mehr möglich. Pathologische Trauerverarbeitung ist die Folge.
Yorick Spiegel nennt folgende Aufgaben, die der Trauernde zu lösen hat:

  • Auslösung der Trauer,
  • Strukturierung,
  • Anerkennung der Realität,
  • Entscheidung zum Leben,
  • Expression unakzeptabler Gefühle und Wünsche,
  • Bewertung des Verlustes,
  • Inkorporation des Verstorbenen,
  • Chance der Neuorientierung.

Es lassen sich übrigens keine eindeutigen Aussagen darüber machen, zu welchem Zeitpunkt welche Aufgabe vom Trauernden in Angriff genommen werden soll. Teilweise überschneiden sich die Bereiche und müssen gleichzeitig angegangen werden; – aber der Trauernde kann ebenso eine ganze Zeit lang auf die Lösung nur einer bestimmten Aufgabe fixiert sein.
Des Weiteren ist der Trauerprozess individuell, also bei jedem Menschen anders. Manchmal werden die genannten Phasen nicht oder nur kaum merklich durchlaufen. Die Phasenmodelle sind somit nicht als statische Gegebenheiten anzusehen, sondern als Stütze für die Betroffenen ihren persönlichen Trauerprozess zu durchlaufen.

Trauersitten

Moderne, säkulare Trauersitten im deutschsprachigen Raum

Mit der Säkularisierung der Sepulkralkultur haben sich im deutschsprachigen Raum seit den 1970er Jahren auch die Trauersitten gewandelt. Trauerkleidung, die traditionell oft während der gesamten Trauerzeit getragen wurde, ist heute meist nur noch am Tage der Bestattung gebräuchlich. Aufwändige Zeremonien und selbst Grabsteine, die an den Verstorbenen erinnern, entfallen bei modernen Bestattungsformen oftmals. An die Stelle eines Priesters tritt bei Bestattungen heute oft ein professioneller und nicht konfessionell gebundener Trauerredner. Moderne Trauerrituale sind das Pflanzen eines Erinnerungsbaumes oder das Aufstellen von Holzkreuzen oder Blumensträußen am Straßenrand nach einem tödlichen Unfall. Kreativ war seit den 1980er Jahren insbesondere die Gemeinschaft der Angehörigen von AIDS-Kranken, die an ihre Verstorbenen durch gemeinschaftlich handgenähte Quilts (AIDS Memorial Quilt) erinnert hat.[4]
Üblich ist für Trauernde auch heute das Bekanntmachen des Todesfalles in Form einer Familienanzeige oder durch gedruckte Trauerbriefe. Die Bandbreite moderner Formen der Kondolenz reicht von mündlichen Beileidsbekundungen, Beileidskarten und Kondolenzbucheinträgen über Blumen- und Kranzspenden (die auf Wunsch der Hinterbliebenen oft durch Geldspenden an gemeinnützige Einrichtungen ersetzt werden) bis hin zu Kondolenzeinträgen auf virtuellen Friedhöfen. Für empfangene Beileidsbekundungen bedanken die Hinterbliebenen sich in einer weiteren Zeitungsanzeige oder gedruckten Karten oder Briefen.[5]
Trauerbegleitung wird heute vielfach nicht nur von Angehörigen, Freunden, Bekannten und Seelsorgern geleistet, sondern auch von Psychotherapeuten, Selbsthilfegruppen, Trauernetzwerken und von Bestattern, die Mitarbeiter in speziellen Seminaren schulen lassen.[6]

Christentum

Aus der Sicht des christlichen Glaubens ist Trauer eine menschliche Befindlichkeit und kann durch Gebet eine andere Dimension einschließen. Solidarität mit den Trauernden wird zu einer besonderen Form der Nächstenliebe – und jeder könne dazu beitragen, indem er einer trauernden Person nicht aus Scheu den Kontakt oder ein Gespräch verweigert.

Indien

Im Hinduismus wird der Tod nicht als Ende, sondern als Übergang in einen anderen Daseinszustand begriffen. Auf die Bestattung folgt eine etwa 13tägige Trauerzeit. Die Familie des Verstorbenen gilt in dieser Zeit als unrein. Neben rituellen Bädern ist es üblich, dass männliche Angehörige (besonders Söhne) sich am zehnten Tag den Kopf rasieren lassen. Die Angehörigen dürfen in der Trauerzeit ihren Gefühlen freien Lauf lassen, aber nicht an religiösen Zeremonien teilnehmen. Auch gewisse Lebensmittel (Süßigkeiten) sind ihnen nicht erlaubt. Durch diese Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass die Seele des Verstorbenen ungehindert zu ihrer neuen Form aufsteigen kann. Gebräuchlich ist auch das – tatsächliche oder symbolische – Spenden einer Kuh. Die traditionelle Farbe der Trauer ist Weiß. Personen, die dem Verstorbenen oder den Angehörigen nahestehen, kondolieren persönlich und bringen Blumen, die dem Toten, falls er im Hause aufgebahrt ist, zu Füßen gelegt werden; entferntere Bekannte schicken Blumen und eventuell eine Karte. Am ersten Jahrestag nach dem Tod wird die Shraddha-Zeremonie durchgeführt, bei der die Trauernden Gott und dem Verstorbenen eine Opferspeise darbringen.[7]

Traditionelle Trauersitten in China

Auch in China gilt der Tod traditionell nicht als Ende, sondern als Übergang der Seele in ein ewiges Dasein. Der älteste Sohn der Familie des Verstorbenen hat, weil er den Fortbestand der Familienlinie garantiert, auch bei den Trauersitten eine Schlüsselfunktion. Er ist es, der von Haus zu Haus geht, und – niederknieend – die Todesnachricht den Nachbarn und Angehörigen überliefert. Es ist sehr üblich und wird erwartet, beim Erhalt einer Todesnachricht und während der Trauer laut zu weinen und zu wehklagen, selbst wenn man nicht wirklich traurig ist. Dies gilt besonders für den ältesten Sohn. Unüblich ist es hingegen, über seine Trauer zu sprechen; viel über Gefühle zu sprechen, gilt in China traditionell als ungesund.
Der Sarg mit dem Verstorbenen wurde traditionell im Haus oder Innenhof der Angehörigen zu einer mindestens einwöchigen Totenwache aufgebahrt; die Angehörigen durften in dieser Zeit weder Schmuck noch rote Kleidung tragen. Kinder und Schwiegertöchter – von denen erwartet wurde, dass ihre Trauer am größten sei – trugen Schwarz und eine Haube aus Sacktuch, Enkel trugen Blau und Urgroßenkel Hellblau. Schwiegersöhne wurden als Außenstehende angesehen und durften hellere Farben tragen. Blutsverwandte und Schwiegertöchter hatten während der gesamten Totenwache laut zu weinen und zu wehklagen.
Nach der Bestattung begann traditionell eine 100 Tage dauernde Trauerzeit. Um ihre Trauer anzuzeigen, trugen die Angehörigen in dieser Zeit ein Stück farbigen Stoff am Ärmel: die Kinder Schwarz, die Enkel Blau und die Großenkel Grün. In sehr traditionsbewussten Familien wurden die farbigen Stoffstücke bis zu drei Jahre lang getragen. In den ersten 49 Tagen durften die Nachkommen des Verstorbenen nicht ihr Haar schneiden. Besondere Regeln galten auch für den ältesten Sohn der Familie, der in den ersten sechs Monaten nach der Bestattung weder die Farbe Rot tragen noch heiraten durfte. Verlangt war eine Trauerzeit nur beim Tode hochrangiger Familienmitglieder; wenn ein Kind oder eine Ehefrau verstarb, konnte sie ganz entfallen.
Eine weitere chinesische Besonderheit ist das alljährliche Qingming-Fest, ein Totengedenkfest, bei dem den bestatteten Verstorbenen Blumen und Geschenke gebracht werden.[8]

Literatur

 

  • Karl-Ernst Apfelbacher: Selig die Trauernden. Kulturgeschichtliche Aspekte des Christentums. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2002, ISBN 3-7917-1797-9.
  • Jorhos Canacakis: Ich sehe deine Tränen – Trauern, Klagen, Leben können. Kreuz Verlag, 1987.
  • Christine Fleck-Bohaumilitzky: Wenn Kinder trauern. SüdwestMünchen 2003, ISBN 3-517-06698-2.
  • Sigmund Freud: Trauer und Melancholie. Studienausgabe, Bd. III, Erscheinungsjahr 1915, S. 193–194.
  • Verena Kast: Sich einlassen und loslassen. Neue Lebensmöglichkeiten bei Trauer und Trennung. Herder, Freiburg 1994, 2008, ISBN 978-3-451-04261-4.
  • Arnold Langenmayr: Trauerbegleitung. Beratung – Therapie – Fortbildung. Göttingen 1999, ISBN 3-525-45851-7.
  • Ralf Jerneizig, Arnold Langenmayr, Ulrich Schubert: Leitfaden zur Trauertherapie und Trauerberatung. Göttingen 1991, ISBN 3-525-45737-5.
  • Ralf Jerneizig, Arnold Langenmayr: Klientenzentrierte Trauertherapie. Eine Pilotstudie zur Erfassung der therapeutischen Wirksamkeit. Göttingen u. a. 1992, ISBN 3-8017-0458-0.
  • Florian Russi (Hrsg.): Im Zeichen der Trauer. Tröstungen für Hinterbliebene. Bertuch, Weimar 2006, ISBN 3-937601-27-9.
  • Yorick Spiegel: Der Prozeß des Trauerns. Analyse und Beratung. Gütersloh 1973, ISBN 3-579-05060-5.
  • Joachim Wittkowski: Psychologie des Todes. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990.
  • Joachim Wittkowski: Sterben, Tod und Trauer. Kohlhammer 2003, ISBN 978-3-17-017189-3.
  • William J. Worden: Beratung und Therapie in Trauerfällen. Huber, Bern u. a. 1986, (1998 neu erschienen bei Huber) ISBN 3-456-81484-4.

 

Weblinks

 

 Wikiquote: Trauer – Zitate

 

 Wiktionary: Trauer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

 

 Commons: Grief – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

 

 

Einzelnachweise

 

  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon: „Trauer“ auf Zeno.org
  2. Carmen Stäbler: Abschied vom geliebten Tier – Ein Ratgeber für den Umgang mit Trauer. 2004
  3. Anja Haegele: Gestorben wird immer. Pietätlos oder hilfreich? – Reiseveranstalter entdecken Trauernde als Zielgruppe. In: Die Zeit 19/2010 vom 6. Mai 2010, Seite 66
  4. Zwischen Ritual und Individualität
  5. Todesanzeigen
  6. Trauerbegleitung
  7. Antyeshti: Funeral Rites; Sharing in another’s grief; The Journey of a Lifebody; In Action – Seven days in the quake zone
  8. Chinese Funeral Customs Multicultural Interview – Grief in the Chinese Culture; Chinese Beliefs