Vermüllungs-Syndrom (Begriffskritik)
Menschenverachtende und stigmatisiernde Begrifflichkeit für ein auf sehr drastische Weise sichtbares Phänomen.
Es setzt bei dem sich erforschend annähernden Betrachter ein sehr komplexes Fachwissen, Respekt und Mitgefühl voraus, wenn Menschen von sich meinen, dieses Phänomen in seinen seelischen Ursachen erklären zu können.
Wer sich zutraut tragfähige Äusserungen zu diesem Syndrom vorzutragen, der sollte dann auch befähigt sein, eine angemessene Sprach- und Wortwahl treffen zu können.
Bis eine angemessene Terminologie gefunden worden ist, sollte etwa folgende Wortwahl verwendet werden: z.B. heftiges Messie-Syndrom.
Es ist hier in diesem Kontext besonders wichtig, die eigene Würdefähigkeit zu überprüfen. Dazu sollte der Betrachter die eigenen innerseelischen Abwehrmechanismen hinterfragen und erforschen.
Diogenes-Syndrom
(Weitergeleitet von Vermüllungssyndrom)
Als Diogenes- oder Vermüllungssyndrom, selten auch als Syllogomanie (griechisch συλλογομανία, Aussprache [jeweils altgriechische nach deutscher Tradition] süllogomanía, von συλλογή, süllogé, „Sammlung“ und μανία, manía, „Besessenheit“, „Wildheit“, „Manie“) wird eine komplexe psychische Störung bezeichnet, die zunächst durch eine Vernachlässigung der eigenen Erscheinung (Körperpflege), des Wohnbereichs, sozialen Rückzug und die Ablehnung von Hilfe durch andere gekennzeichnet ist. Nicht alle Betroffenen schämen sich dieses Zustands, und nicht immer sammelt sich dabei Müll in der Wohnung an.
Namensgebung
Diogenes von Sinope
Der Begriff „Vermüllungssyndrom“ wurde 1984 vom Hamburger Arzt und Psychoanalytiker Peter Dettmering eingeführt.
Im deutschen Sprachraum wird vor allem in der Laienpresse von einem Messie-Syndrom – von englisch mess, „Unordnung“, „Schwierigkeiten“ gesprochen; dazu das substantivierte Adjektiv messy, Plural messies .
Die Benennung des Vermüllungssyndroms nach Diogenes von Sinope (um 391/399–323 v. Chr.) ist insofern problematisch, als dem kynischen Philosophen eine solche Symptomatik nicht nachgewiesen werden kann. Er ist lediglich bekannt für seine Bedürfnislosigkeit und seine skeptische Haltung gegenüber gesellschaftlichen Konventionen und den Errungenschaften der Zivilisation.
„Ob es sich bei dem ‚Messietum‘ und dem Vermüllungs-Syndrom um das Gleiche handelt oder lediglich um zwei Phänomene mit einigen Überschneidungen und Berührungspunkten, ist unter Experten strittig.“
Symptomatik
Die Diagnose Vermüllungssyndrom beschränkt sich auf jene extremen Fälle, bei denen die Defizite in der Fähigkeit, die eigene Wohnung in Ordnung zu halten, ein Ausmaß annehmen, dass mehr oder weniger die gesamte Wohnung des Betroffenen mit Müll und wertlosen Gegenständen gefüllt ist bzw. „zuwächst“, da nichts mehr weggeworfen wird. Menschen, die an einem Vermüllungssyndrom leiden, haben die Fähigkeit verloren, wertlose Gegenstände auch emotional als solche zu erkennen und sich von ihnen zu trennen. Vielmehr horten sie unterschiedslos nahezu alles, was einmal in die Wohnung gelangt, meistens mit dem Vorsatz, irgendwann einmal aufzuräumen. Dies gelingt ihnen jedoch nicht.
Derartige Fälle machen ein Einschreiten der Behörden erst möglich, wenn es zur objektiven Einschätzung einer Fremd- oder Selbstgefährdung kommt, beispielsweise, wenn eine Krankenhauseinweisung auch dem Betroffenen klar macht, dass eine ausreichende Selbstversorgung ohne Annahme von Hilfe unmöglich geworden ist und eine Vertrauensbasis zu fachlich versierten Behandlern und Unterstützern aufgebaut werden konnte. Erst dies entlastet die Betroffenen wirklich, die damit aus einer für sie in der Regel beschwerlichen Situation befreit werden können.
Eine medizinisch bedeutsame Folge kann sein, dass die Zehennägel so weit auswachsen und sich dabei in Richtung Fußsohle verkrümmen, dass ein Gehen nicht mehr möglich ist.
Labormedizinisch sind nicht überraschend verschiedenste Mangelzustände nachzuweisen: Eisenmangel bis hin zur Eisenmangelanämie, Folsäure-, Vitamin B12-, Vitamin D-, Protein- und Albuminmangel, Hypokaliämie und Dehydratation.
Ursachen
Die dem Diogenes-Syndrom potenziell zu Grunde liegenden psychischen Störungen sind mannigfaltig. Es kann sich um eine Störung der exekutiven Funktionen im Rahmen einer Zwangskrankheit, Depression, Persönlichkeitsstörung oder anderer psychischer Erkrankungen handeln. Demenz, Schizophrenie und das Prader-Willi-Syndrom sind hier zu nennen.
Therapie
Grundsätzlich richtet sich die Therapie nach der zugrundeliegenden Erkrankung oder Störung. In Fällen von Zwangs- und Impulsstörungen bietet sich u. a. eine kognitive Verhaltenstherapie an. Jene Patienten, denen eine demenzbedingte Frontalhirnsymptomatik zugrunde liegt, dürften davon weniger profitieren.
Siehe auch:
www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/vermuellung.html